... aufgewachsen im Vergessenen Tal ... aufgezogen als Dunkle Magierin ... umgewandelt in eine Natla-Händlerin ...
Geboren bin ich,während einem der großen Serum-Kriege, der diesmal über Buran niederging. Meine Mutter und ich saßen in unserer winzigen
Hütte,am Rande des Vergessenen Tales, und warteten auf die Rückkehr meines Vaters. Doch er sollte nie zurückkehren. Ich erinnere mich nicht
an ihn und sah ihn auch nie wieder. Er soll als Held gestorben sein, mehr weiß ich nicht.
Auch meine Mutter sah ich am Tag des Krieges zum letzten Mal. Sie legte mich, als ich gerade mal drei Monate alt war, vor die Tore der
Dunkeln Magier Burg, in welcher ich als solch eine aufgezogen wurde. Man lehrte mich die Kunst der schwarzen Magie, wie man damit kämpft
und wie man sich damit verteidigt. Ich lernte schnell und fleißig - denn mein Ziel war es, eines Tages meine Mutter wieder zu finden.
Dort lebte ich bis zu meinem 14. Lebensjahr. Und die Welt da draußen zog mich immer wieder in ihren Bann ... der tiefe Wald Gobos, der
sandige Strand Lardikia, das wunderschöne Dorf Konlir, der Schneewald Wilisien und das weite Meer, das an Urdanien grenzt. Ich liebe
diese Welt! Doch was mich noch mehr begeisterte, war die Nebellandschaft Narubia. Sehr oft verweilte ich dort, und irgendwann beschloss ich,
selber ein Teil des Nebels zu werden, und machte die Stätte des Handels zu meinem Geburtsort - ich ließ mich zur Natla-Händlerin umwandeln!
Dieser Schritt war hart, und meine Freunde in der Burg der dunklen Magier, die meine Familie all' die Jahre ersetzt hatten, weinten an
diesem Tag viele Tränen - genau wie ich. Doch meine Entscheidung stand fest.
Von je her war ich ein friedlicher Mensch gewesen, ich hatte zu viel Angst vor Kriegen, was wohl an meinen häufigen Alpträumen liegt,
in denen ich verängstigt durch verbrannte Dörfer und über qualmende Wiesen renne. Eine Natla, und vor allem eine Händlerin, passte
viel besser zu mir.
Doch von diesem Tag, an welchem ich in die Stätte des Handels einzog, plagten mich schlimme Alpträume. Ich sah meine Mutter, wie sie
mitten in den Flammen von Pensal stand. Und Ich hatte große Angst vor Feuer! Ihre Schreie klangen so real, dabei war es doch nur ein Traum.
Ich wachte eines Nachts schweißüberströmt auf, meine Augen waren verklebt, da ich im Schlaf geweint und geschrien hatte. Das musste aufhören!
Und so beschloss ich, trotz meiner Angst vor dem Feuer, nach Pensal zu gehen, denn ich war felsenfest davon überzeugt, meine Mutter eines
Tages zu finden - das war meine Lebensaufgabe!
Doch als ich in Pensal eintraf, fand ich nichts außer einem grünem Wald und vielen Eidechsen vor. Ein riesiger Baum thronte in der Mitte
des Waldes. Er schien, obwohl es Sommer war, keine Blätter zu haben. Doch dort vernahm ich eine eigenartige, fremd-klingende Stimme:
"Annie, geh nach Ragnur. Im Schnee Ragnurs steht die alte, verschneite Fischerhütte am immerzu vereisten Forellenteich. Dort wirst du
Antworten auf all' deine Fragen finden."
Das ganze verwirrte mich, doch was in dieser Welt ist schon normal?
Also machte ich mich auf nach Wilisien, und von dort aus immer weiter nach Norden bis auf die Spitze der Schneeberge von Ragnur. Eiskalt
war es dort, und ich begegnete nur wenigen Lebewesen, unter anderem riesigen Frostdämonen, welche ihren eisigen Atem in meine Richtung hauchten.
Von dort aus wanderte ich nach Süden, in der Ferne sah ich schon den Rauch aus der alten Fischerhütte aufsteigen, die neben einem
zugefrorenem Teich stand. All' das sah sehr verloren und einsam aus.
Ich betrat die winzige Hütte und fand nur einen Tisch und einen Stuhl vor. Auf dem kleinen Stuhl, der ächzend knarrte, saß eine
Gestalt mit langem schwarzen Haar.
Ich wusste sofort, wen ich vor mir hatte, all die Erinnerungen an meine vielen guten und bösen Träume kamen wieder hoch. Ja, ich war nur drei Monate
alt gewesen, doch seine eigene Mutter vergisst man nie - sein ganzes Leben nicht.
Mir rannen viele Tränen die Wangen hinab. Ich ging auf die reglose Gestalt zu und legte meine Hand auf ihre linke Schulter. Sie wandte ihren
Kopf zu mir. Meine Mutter hatte ein wunderschönes Gesicht und tiefbraune Augen die aussahen, als hätte sie ihr Leben lang zu viel geweint.
Ellara nahm meine Hand und zog mich auf ihren Schoß. "Mein Kind ...", flüsterte sie, wir lagen uns lange Zeit in den Armen, und ich weinte und weinte.
Als ich irgendwann begann, mich zu beruhigen strich sie mir mit einer Hand über den Kopf, tausend Fragen quälten mich. Doch die wichtigste stellte
ich zuerst: "Warum hast du mich fortgebracht?", die Augen meiner Mutter füllten sich erneut mit Tränen, "Ich hatte so große Angst um dich
und deinen Bruder, so große Angst, dass euch in diesem Serum-Krieg etwas passieren könnte." Sie erzählte mir alles, alles über meinen Vater
und alles über meinen Bruder, der verschollen war. Als fahles Mondlicht durch das Fenster fiel und den Schnee draußen zum leuchten brachte, sagte
sie: "Komm Annie, lass uns gehen und wieder eine Familie sein!" Und wir gingen gemeinsam, und für eine kurze Zeit waren wir wieder eine Familie,
wenn auch eine Kleine. Aber wie es eben immer im Leben ist, kam alles dann ganz anders.
Meine Mutter, ebenfalls eine dunkle Magierin, wie ich damals, lebte zwar weit entfernt von Narubia. Doch wir trafen uns oft genug, streiften
zusammen durch den Sand in Mentoran und das tiefe Moor in Sutranien. Wir stellten uns gemeinsam den härtesten Monstern und siegten - jedes
Mal - gemeinsam.
Eines Tages trafen wir auf den Weltenwandler - eines der stärksten Wesen dieser Welt. Bis zu diesem Tag hatte ich immer wieder Erzählungen über ihn
gehört, doch gesehen hatte ich ihn nie, und so war er auch für mich immer ein Mythos gewesen. Doch nun stand er vor uns. Gigantisch, und man konnte
ihm seine schier unendliche Macht ansehen. Ich sagte meiner Mutter, dass wir weiterziehen sollten, man sagt schließlich, er sei unsterblich.
Doch sie lachte nur und sagte: "Annie, wir kriegen doch alles hin, schon vergessen?"
Und so stellten wir uns dem Weltenwandler. Wir kämpften tapfer, und es sah sogar so aus, als hätten wir die Oberhand in diesem Kampf! Doch plötzlich,
mitten im Kampf, hielt das Monster inne und hörte auf sich zu wehren. Auch wir hielten inne, um zu sehen, was nun geschah. Der Weltenwandler
fing an zu lachen, ein grausames und furchteinflößendes Lachen, welches auf der ganzen Welt zu hören war. Dann hob er einen Arm, kam näher und strich
mit einer seiner Krallenhände meiner Mutter über die Wange. Für den Moment sah es so aus, als liebkoste er sie. Ich war wie erstarrt,
dann schwang er mit unglaublicher Geschwindigkeit die Hand in die Höhe - der Körper meiner Mutter folgte ihr, durch die Magie schwebend, gen Himmel.
Dann löste sie sich auf. Ich erinnere mich an ihr Gesicht, an ihren Mund, der ein großes "O" formte, und an rote Funken. Mir wurde schwarz vor
Augen, schwach und mit einer unglaublichen Traurigkeit in mir erwachte ich an der Stätte des Handelns - unwissend, was passiert war. Ich rannte
weinend und taumelnd zurück nach Nawor, dort, wo der Kampf stattgefunden hatte, doch ich fand nichts vor. Die schwarzen Stellen am Boden
waren fort, wo die dunklen Zauber meine Mutter das Gras verbrannt hatten. Alle Kampfspuren waren fort, genau wie der Weltenwandler
und meine Mutter.